zeichen-sprache (2)

eine ein-führung in die zeichen-sprache  (fort-setzung)

gespräch mit dem leser

[...]

in jedem sein ist mit-teilung in-begriffen, da jedes sein seiner natur nach mit-teil und mit-teil-sam ist, und es ist die aufgabe dieses buches, die mit-teil-barkeit der dinge, beziehungsweise dessen, was wir von den dingen wahr-nehmen, wieder zu ent-decken.


um die mit-teilungs-fähigkeit dieses bilder-buches nicht durch die alpha-betischen kerker-stäbchen gar zu sehr einzu-schränken, habe ich statt buch-stäbchen zeichnungen benutzt, da diese weniger ab-genutzt und ab-gegriffen sind und der be-schauer sich freier mit ihnen unter-halten kann. ich bin mir dabei bewusst, dass natürlich auch zeichnungen vor-gaben sind, die die freiheit der wahr-nehmung immer noch ein wenig ein-schränken, aber ich wollte den leser nicht mit leeren blättern konfrontieren, da auch selbst diese nicht un-voreingenommen betrachtet werden können.


durch die übermässige nutz-bindung und ihre daraus ent-standene ab-nutzung teilen buch-staben die wahr-nehmungen immer mehr auf und ein und ab und zu, und immer weniger mit, während zeichen und zeich-nungen dem leser eine grössere freiheit zur aus-dehnung be-lassen.

die zeichen-sprache gibt durch ihre individuelle sprache und un-genormtheit dem be-schauer ein grösseres be-wegungsfeld. verglichen mit dem engen kanal der heutigen informations-sprache, ist die zeichen-sprache ein grosser see, wenn nicht sogar ein weites meer - mit allen seinen freiheiten und gefahren.

die zeichen-sprache ist die sprache des ahnens, während das alphabet immer mehr zur sprache des wissens ver-kümmert. im gegen-satz zur buch-staben-sprache legt die zeichen-sprache den leser nicht fest, sperrt ihn nicht in ein buch-stäbchen-käfig, sondern lässt ihn schwimmen, wohin er will, oder kann, oder darf, oder muss.


und diese neue und zugleich uralte sprache der zeichen be-nutzt und ver-wandelt die viel-fältigen seins-ein-drücke in aus-drücke, ohne den leser durch fest-gefahrene normen und not-wendigkeiten un-beweglich zu machen. sie kann ein-drücke un-gehindert aus-drücken, und sich von aus-drücken un-befangen be-eindrucken lassen, je nach talent und fähigkeit des her-stellers oder des be-schauers.


denn bilder (= ein-bild-ungen und oder aus-bild-ungen) sind der ur-sprünglichste und um-fassendste mitteilungs-weg von einem "ding" zum andern, sie sind das binde-mittel, das "alles" zusammen-hält und zur ein-heit macht, da sie "alles" er-ahnen lassen. ein zeichen kann "alles" sein - im gegen-satz zum wort, das in der heutigen ab-genutzten informations-sprache nur "etwas" sein darf.


und diese neue und zugleich ur-alte sprache der zeichen be-an-sprucht mit immer dring-enderer not-wendigkeit seinen platz als mit-teilungs-träger und binde-mittel in unserer aus-ein-ander-strebenden und sich laufend wandelnden welt.

die zeichen wollen nicht, sondern über-lassen sich dem "willen" des lesers. sie wollen nicht leiten, führen, zwingen, zwängen, drängen, engen, sondern über-lassen den leser den bildern, die in ihm schlummern, damit dieser sie ent-decken kann.


die zeichen-sprache dieses büchleins will höchstens hin-deuten auf etwas, dinge be-deuten, über-lässt es aber dann dem leser, wie er sie auf-fasst, und lässt ihn dann im "freien" raum zwischen den dingen schweben.

auf den ersten blick er-scheinen die zeichen dieses büchleins viel-leicht ein wenig fremd, auf den zweiten blick viel-leicht ein wenig lustig. deshalb bitte ich den leser, jedes bild drei- oder mehr-mal anzu-schauen mit der hoffnung, dass er beim dritten mal seine vor-urteile ab-bauen konnte und nun die dinge so sehen kann, wie und was sie sind: alles mögliche.


die zeichnungen in dem büchlein er-scheinen viel-leicht deshalb ein wenig fremd, da sie nicht der wirklich-keits-vorstellung unserer seh-weise ent-sprechen, wie sie in der re-naissance durch den flämischen maler van eyck und seinen freunden be-gründet wurde und in der wir zum teil bis heute noch be-fangen sind.


diese wirklichkeits-vorstellung be-wirkt eine zwei-teilung der wahr-nehmungs-welt in:

- die be-weis-bare (= be-wiss-bare) welt auf der einen seite, und die glaubens-welt (= un-be-wiss-bare welt) auf der anderen

- die "materielle" welt auf der einen seite, und in die "geistige" welt auf der anderen
- die "besitz-bare" welt des "habens", und in die welt des seins
- die be-wusste (ge-wusste) welt, und in die ge-ahnte welt
- die innen-welt, und die in aussen-welt.


bei dieser zwei-teiligen sicht der dinge, die man viel-leicht auch die wissen-schaftliche seh-weise nennen kann, wird immer der eine teil über-bewertet so dass der andere ver-nach-lässigt bleibt.


diese unsere (an-geborene? an-ge-eignete? an-er-zogene?) wirklich-keits-vor-stellung stellt eine enge ver-bindung zwischen dem "sein" und dem "haben" oder dem "haben -wollen" her: nur wer "hat" (oder haben will), der ist. der be-sitz, sei er nun "materieller" oder "geistiger" oder anderer art, wird als ver-materialisiertes "sein" an-erkannt, das nur auf diese weise "wirklich" ist. und dieses haben-wollen sitzt uns wie ein dorn im (geistigen) fleisch, der uns bei jeder (geistigen) be-wegung aufs neue schmerzt und sticht. und trotz-dem wollen wir ihn nicht ziehen und nicht missen, denn er ist das einzige feste, an das sich unser be-wusst-sein klammern kann, unser einziger an-halts-punkt im un-aufhörlichen wandel des seins.


an ihm, diesem dorn des "etwas-haben-wollens-um-sein-zu-können", orientieren wir uns, um nicht in den end- und boden-losen ab-grund des alles-seins zu fallen, und darin be-wusst-los herum-zuschweben wie ein blatt im wind, willen-los aus-geliefert dem un-bekannten, un-be-wussten und un-teilbaren "alles".


diese auf-teilung der welt (= wahr-nehmungs-welt) in wiss-bare teile er-weist sich heute als immer un-halt-barer, da sie den wahr-nehmer in un-ruhe und kon-flikte stürzt und ihn zum zwie-spältigen und dann auch zum zwie-spalter macht - und so geht dann die welt in scherben.

der mensch ahnt und spürt heute immer deut-licher, dass er nicht in zwei welten leben kann um zwischen ihnen hin- und herzupendeln, sondern sehnt sich nach einer un-ge-teilten und un-teil-baren seins-welt, in der "alles" platz hat, in der alles alles ist.


man kann nur "etwas" wahr-nehmen. "alles" ist nicht wahr-nehm-bar, da nicht zwei dinge zur gleichen zeit "gesehen" werden können.

die bilder die wir uns machen, unsere ein-bildungen, be-gründen sich auf der wahr-nehmung von aus-drücken, die uns beein-drucken, die unsere sinnes-organe in ob-acht-stellung (= be-obachter-stellung) ver-setzen: sie fürchten sich vor "etwas", vor "etwas anderem", sie wollen das "etwas" nicht als "anderes" in sich hinein-lassen, sie wollen ihr "alles-sein" ver-teidigen.


so strebt unser zwie-spältiges wahr-nehmungs-ver-mögen einteils nach "etwas", gegen das es gleich-zeitig eine ob-acht- (be-obachter-stellung) und ab-wehr-stellung ein-nimmt und es zum gegen-stand er-klärt, zum ob-jekt, zum wider-stand gegen das all-ausdehnugs-bedürfnis des "ichs".


und so muss oder darf oder will oder kann nun der mensch mit diesem sinnes-reiz in einem dauernden reiz-zustand leben, damit er immer in be-wegung bleibt, immer auf dem weg, immer auf der "strasse" lebt, immer auf der suche nach "etwas", das im grunde sein verlorenes (oder verloren geglaubtes) "alles" ist, sein verloren geglaubtes paradies.


aber schluss nun mit dem geschwätz der buch-stäbchen, lassen wir jetzt die bilder in ihrer eigenen sprache reden.

das bin ich

ich hoffe und wünsche, dass sie dem werten leser das gleiche ver-gnügen und dieselbe lust bereiten, wie mir beim zeichnen: die lust des fliegens, des schwebens im un-end-lichen raum (der nun kein raum mehr ist), mit der körper-und geist-losen leichtig-keit des seins (das nun kein sein mehr ist):

wie ein vor-gestelltes "nichts" in einem vor-gestellten "alles".

droos

 


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